Hugo Junkers

Einige haben ja heute eine sehr sonderbare Sichtweise auf die Persönlichkeit Hugo Junkers entwickelt. Nachfolgend möchten wir Ihnen daher den Auszug aus einem Buch, welches 1954 erschienen ist, zugänglich machen. Der Autor Karl Rauch schreibt in seinem Buch "Der Schatten des Vaters" ein umfangreiches Kapitel über seine Zeit in Dessau nach dem I. Weltkrieg. Dabei geht es auch um seine intensiven Begegnungen mit Hugo Junkers. Diese sehr persönlichen Begegnungen werfen ein autentisches Bild auf Hugo Junkers, anders als es die Inszenierung der "Junkers-Saga" im Jahr 2013 versuchte.

...."Am Orte selbst empfand ich als stärkste Persönlichkeit Hugo Junkers. Es ist bedauerlich, daß dieser Mann außer in Fachkreisen heute im Bewußtsein der Deutschen fast ausgelöscht scheint. Von allem, was öffentlich geschah, hielt er sich streng und scheu zurück. In gesellschaftlichem Zusammenhang ließ er sich nur sehen, wenn es unbedingt sein mußte. Es war dann Sache seiner Frau, ihn zu überreden. Und auch im persönlichen Umgang war er sehr wählerisch und zurückhaltend. Um so dankbarer bin ich ihm und meinem väterlichen Freund, dem Professor Gerhard Heine, der Direktor des humanistischen Gymnasiums war, daß er mich bei Junkers einführte. Der stille Mann, dessen Leben im Grunde durchaus der Wissenschaft und Forschung gehörte, hat sich manche Stunde für ein Gespräch mit mir jungem Dachs freigemacht, obwohl unsere Interessen- und Arbeitsgebiete sich sehr unterschieden. Was ihn fesselte, worüber wir uns immer wieder ausgesprochen haben, das waren unmittelbar menschliche, soziale Dinge. Es beschäftigte ihn stark, was der Mensch von Haus aus und Bestimmung her ist und wie weit oder wie ungenügend die gesellschaftliche Ordnung das Individuum in allen Schichten und Klassen so leben läßt, daß es ganz menschlich sich zu erfüllen vermag. Was muß der Unternehmer tun, was kann er tun – so fragte er sich immer wieder - , um dem Industriearbeiter, der ihm den Hauptteil seiner Lebenszeit um Brot und Unterhalt verkauft, dafür gerecht zu entschädigen? Wie soll er ihm die Möglichkeiten der inneren und äußeren Förderung seiner geistig-seelischen Bedürfnisse innerhalb der verbleibenden freien Zeit öffnen? Die von Abbe ins Leben gerufene Stiftung der Zeißwerke in Jena betrachtete er als eine vorbildliche Leistung. Mit dem Ziele, etwas Ähnliches einzurichten, führte er einen zähen Kampf gegen seine kaufmännische Direktion. „Der Arbeiter hat einen Anspruch darauf, einen ursächlich menschlichen Anspruch“, sagte er des öfteren, „daß wir ihm ein Heim geben, ein Häuschen mit Garten, daß er seßhaft werden kann, daß auch der Anschein des Parias von ihm genommen wird, daß er auf allen Gebieten als ein uns Gleicher auftreten kann; - und jedem jungen Menschen ohne Rücksicht auf Herkunft und Milieu gebührt freier Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten...“ – Hinter der gedrungenen Gestalt mit den elastischen Bewegungen, dem durchgeistigten Gesicht und den gütigen Augen verbarg sich ein rührend bescheidener Mann, ein echter Demokrat. – Einmal bekannte er mir: „Früher habe ich mir die Gewinnung des Luftraums für den öffentlichen Verkehr nahezu schwärmerisch vorgestellt. Ich bildete mir ein, daß die Eroberung des Raumes, die rasche Überwindung der Entfernungen alle Länder und alle Völker von einem Kontinent zum anderen auch innerlich sehr viel näher aneinander binden würde und so jeder Krieg sich ausschalten ließe. Es ist die Tragik meines Lebens, daß die Luftfahrt nun auch ein Kampfmittel zwischen den Völkern geworden ist. Aber zu hoffen bleibt immer noch, daß der Ausbau regelmäßiger Luftverkehrslinien über weite Strecken und nach Übersee im Laufe der Zeit so zahlreiche und dichte menschliche Kontakte, Handels- und Geistesbeziehungen und bewährte Freundschaften allerorten entstehen läßt, daß die internationale Kriegshetze all das nicht mehr zu durchbrechen vermag. Vielleicht ist es eine Utopie, aber nur indem man Utopien entwirft, kann man vermutlich die Menschheit aus der Sackgasse einer übereilten Technisierung herausbringen, der die ethische Entwicklung nicht zu folgen vermochte.“ – Der alte Herr machte, wenn irgend möglich, an jedem frühen Morgen seinen Gang ins Luftbad, ehe der Tagesdienst begann. Über seinen unbefangenen menschlichen Umgang mit Arbeitern wurden allerlei Anekdoten erzählt, die mich an meinen Großvater Wolf erinnerten, der sich freute, wenn Besucher ihn, den Chef, für einen Gartenarbeiter hielten. Die fast übertriebene Schlichtheit dieses bedeutenden Forschers macht auf besonders liebeswerte Art folgendes Geschichtchen deutlich: Der Professor war unvorbereitet mitten aus dem Labor heraus zu einer dringlichen Fahrt nach Berlin aufgebrochen, vom Anhalter Bahnhof rasch ins Excelsior zum Essen gegangen und hatte sich dann zum anberaumten Termin ins Ministerium begeben. Nachdem die Besprechung, zu der man ihn telefonisch gebeten hatte, dort zu Ende war und er die Rückfahrt antreten wollte, stellte er fest, daß sein Mantel fehlte. Dieser konnte nur im Excelsior hängen geblieben sein. Der Junkers begleitende Sekretär rief im Hotel an und erhielt den Bescheid, daß von einem Mantel des Professors Junkers dort nichts bekannt sei, auch bei der Garderobe ein überzähliges Kleidungsstück nicht zu finden wäre. Da Junkers sich mit aller Sicherheit zu erinnern meinte, den Mantel dort gelassen zu haben, blieb nichts übrig, als sich vor der Abfahrt im Hotel selbst noch einmal zu vergewissern – und natürlich hing der Mantel dort an einem Haken in der Empfangshalle – ein abgetragener und sehr einfacher, der Hotelpage war gewiß der Überzeugung: ein schäbiger Mantel. Aber es war durchaus und genau der Mantel des Professors Hugo Junkers. Das Ehepaar Junkers hatte zwölf Kinder. Als die jüngste Tochter zur Welt kam, verunglückte auf einem Fluge in Südamerika der älteste Sohn tödlich. In der Villa am ehemaligen Kaiserplatz hatte das tobende Leben der Kinderschar, zu denen sich meist noch etliche Freunde und Freundinnen gesellten, das Recht vor allen anderen Lebensbezügen. Und es ist öfters passiert, daß ein sich jagender Kinderhaufen plötzlich ins Herrenzimmer mitten in eine Konferenz hineinpurzelte...Stets haben die Herren Direktoren und Assistenten kopfschüttelnd den freundlichen Worten des Professors folgen und sich mit ihm in einen anderen Raum oder gar außer Haus zum Werk begeben müssen, denn – ich hörte das selbst einmal aus seinem Munde - : „die Jugend hat stärkere Lebensrechte, wir Älteren sind doch nur ihre Schrittmacher“. "....